Vom Kampf eines fränkischen Landwirts gegen den Freistaat Bayern und seine Hoffnung auf mehr Gerechtigkeit in der Düngeverordnung

 

Gülle-Streitfall um die bodennahe Ausbringtechnik vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof

 

München, 12. Juli 2024 - In einem spannenden Rechtsstreit (Berufung - 2. Instanz) vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH Bayern) in München kämpft ein Milchviehbetrieb aus dem fränkischen Seenland für seine Freiheit, Gülle ohne den Einsatz externer Großtechnik auszubringen. Trotz überzeugender Argumente wie

·         Anfall schädlicher Güllewürste im Tierfutter durch das neue bodennahe Ausbringen,

·         fehlende Anfahrbarkeit seiner kleinteilig bewirtschafteten Flächen durch die externe Großtechnik und seiner

·         Nachweise für Ammoniakreduzierungsmaßnahmen in Stall und Lager,

verweigerte ihm die zuständige Behörde eine bereits 2022 beantragte Ausnahmegenehmigung.

 

Der Landwirt, vertreten durch Rechtsanwalt Jürgen Kraft (Fachanwalt für Agrarrecht) aus Erlangen, bekräftigte, dass die vorgeschriebene teure Technik zur bodennahen Gülleausbringung keine Garantie für Emissionsminderung biete. Er verwies vor allem auf die Wirksamkeit biologischer Gülleaufbereitung und nachhaltiger Fütterungsstrategien, die jedoch ignoriert werden.

 

Jens-Martin Keim, Sprecher der IG gesunde Gülle, unterstützte den Landwirt als Beistand und kritisierte Unklarheiten bei der Emissionsmessung und den fehlenden Nachweis der Effektivität der Technik in allen Situationen. Dies verursache große Zweifel an der aktuellen Umsetzung und Anwendung der Düngeverordnung.

 

»Unseren bayerischen Landwirtschaftsbetrieben wird diese teure Technik zwanghaft mit der Begründung vorgeschrieben, dass eine Emissionsminderung einzig und allein durch die Ausbringtechnik erfolgen muss – ohne dass für diese Großtechnik eine Garantie bzw. ein Nachweis und ein Zertifikat der Leistungsfähigkeit bei sämtlichen Güllearten und Witterungsbedingungen vorliegt.«, kritisiert Jens-Martin Keim von der IG gesunde Gülle. »Es bleibt völlig unverständlich, warum belegbare Ammoniakreduktionen durch eine biologische Aufbereitung der Gülle mit Hilfe von Zusätzen und Fütterungsstrategien keinerlei Berücksichtigung finden.«

In dieser mehrstündigen Verhandlung zeigte sich die Komplexität in vielen Details. So konnte die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) als Interessenvertreterin des Freistaates Bayern, keine Aussage darüber machen, wie sich eine emissionsreduzierte Gülle bei der Ausbringung verhält. Unklarheit bestand bei der LfL ebenso auf Fragen zu den erforderlichen Nachweisen, der Messmethodik und einem einheitlich standardisierten Messverfahren zur vergleichbaren Bewertung von Ammoniakemissionen der jeweiligen Güllearten mit ihren unterschiedlichen NH3-Ausgasungen.

 

Der Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zeigte Verständnis für die Situation des Landwirts und stellte Fragen nach der Zumutbarkeit der Vorgaben zum Einsatz derartiger Großtechnik durch die Behörde. Die Richter bemühten sich sogar um die Erteilung einer zumindest vorläufigen Ausnahmegenehmigung durch die Landesanstalt für Landwirtschaft. Die LfL verweigerte jedoch eine Zustimmung, um dadurch keinen Präzedenzfall zu schaffen.

Zur Beantwortung der offenen Fragen wird der Rechtsstreit mit Sachverständigen im Rahmen eines weiteren Vororttermins 2025 fortgesetzt. Für die LfL wäre eine Bestätigung des Urteils zu ihren Gunsten ein Befreiungsschlag gewesen, der den Unmut vieler Bauern gebremst hätte. Dem Kläger und den kritischen Bauern gibt diese Ausgangssituation Rückenwind und Hoffnung.

 

Der Ausgang des Rechtsstreits hat Signalwirkung für zahlreiche weitere Landwirte, die gegen die Umsetzung und Anwendungszwänge der Düngeverordnung kämpfen. 


DIE WICHTIGEN PUNKTE:

  • Zwangsvorgabe einer bodennahen Gülleausbringung durch Großtechnik ohne Garantie der Effektivität
  • Ignorierung alternativer Ammoniakreduzierungsmethoden
  • Unklare Messmethoden und fehlende Standards bei der Emissionsmessung
  • Hohe Kosten für die vorgeschriebene Technik
  • evidenzbasierte Bewertung der verschiedenen Gülleausbringverfahren
  • Anerkennung alternativer, effektiver und kostengünstiger Ammoniakreduzierungsmethoden
  • Flexiblere und praxistaugliche Regelungen in der Düngeverordnung
  • Unterstützung innovativer und nachhaltiger Landwirtschaftspraktiken

 

ZITATE:

  • Rechtsanwalt Kraft: »Die starre Vorgabe der bodennahen Gülleausbringung durch Großtechnik ohne Berücksichtigung alternativer Maßnahmen ist praxisfremd und unflexibel. Wir brauchen eine evidenzbasierte und praxistaugliche Anwendung der Düngeverordnung.«
  • Landwirt: »Ich bin erleichtert, dass mein Fall Gehör gefunden hat. Es kann nicht sein, dass wir Landwirte mit kostspieligen Auflagen zur Gülleausbringung mit Großtechnik gezwungen werden, während gleichzeitig unsere innovativen Bemühungen zur Ammoniakreduzierung ignoriert werden.«
  • IG Gesunde Gülle: »Unsere Landwirtschaft sollte nicht durch unflexible Vorschriften benachteiligt, sondern durch Innovation und Nachhaltigkeit gefördert werden. Wir haben sonst die Befürchtung, dass Praktikerwissen durch eine fehlerhafte Ideologie der LfL missbraucht wird. Wir sehen nach dieser Verhandlung ein positives Signal und hoffen auf eine konstruktive Lösung, die die Interessen unserer Landwirtschaft und den Umweltschutz gleichermaßen berücksichtigt. Man darf auf die Interpretation aus dem Bayerischen Staatsministerium für Landwirtschaft gespannt sein. «


WEITERE INFORMATIONEN:

Interessengemeinschaft gesunde Gülle; Sprecher: Jens-Martin Keim
E-Mail:
info@ig-gesunde-guelle.de    Internet: www.ig-gesunde-gülle.de

 

STICHWORTE:

 

Bodennahe Gülleausbringung, Düngeverordnung, Ammoniakreduktion, Landwirtschaft, IG gesunde Gülle, Rechtsstreit

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Kommentare: 1
  • #1

    Hans Spitzl (Donnerstag, 18 Juli 2024 18:47)

    Es zeigt sich, dass die Theorie der Praxis unterlegen ist. Die Maßnahme muss in der Praxis den vielfältigen Anforderungen und Naturgesetzmäßigkeiten gerecht werden um die Aufgabe zu lösen.
    Wissenschaft ist lediglich eine Momentaufnahme, die in der Praxis ihre Probleme hat und lediglich dem entsprechend erwünschten Versuchsdesign Rechnung trägt.
    Schön, dass das hohe Gericht praxisrelevant denkt um die Aufgabe zu lösen.